Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, haben von 17 Prüflingen aus der Freien Schule Glonntal nur 7 die Mittlere Reife bestanden. In den Vorjahren war das Ergebnis ähnlich. Eine sehr bezeichnende Aussage des dortigen Schulleiters ist für mich die Behauptung, die Schüler seien dafür verantwortlich, ihren Reifestand selbst einzuschätzen – wie sollen sie das denn, wenn sie noch gar nicht die nötige Reife haben, die man braucht, um Unreife als solche zu erkennen? Zitat aus der Süddeutschen “Er [der Schulleiter] verweist stattdessen darauf, dass es in der Verantwortung der Kinder liege zu erkennen, wann ihr Motivations- und Durchhaltevermögen ausgebildet sind: “Das ist nicht unser Job.””
Aus meiner Sicht ist genau das Teil des Jobs eines Pädagogen. Genauso wie die Pflicht zur Beurteilung – ob die nun in Noten erfolg oder in detailliert bewerteten Einzelkriterien, sei dahin gestellt. Aber sich einer Bewertung zu verweigern ist für mich bloß erzieherische Feigheit und Bequemlichkeit, mit denen man den Kindern einen Bärendienst erweist.
Da ich wiederholt von Eltern gefragt werde, ob ich für diese und ähnliche Schulen eine Empfehlung aussprechen kann, nehme ich das zum Anlass, um allgemein zu sagen: Wenn eine Schule unterschätzt, wie wichtig für die Zukunft von Jugendlichen handfeste inhaltiche Kompetenzen sind, lässt das viel zu wünschen übrig. So manche alternative Schule ködert sorgengeplagte Eltern mit der Aussage, man sei nicht so “hart” wie das vermeintlich “böse” Schulsystem. Ja, dieses System hat seine Fehler, und darunter leiden viele Schüler in mehr oder weniger starkem Ausmaß. Aber man darf sich gerade als Pädagoge nicht vor ein paar einfachen, aber manchmal unbeliebten Wahrheiten drücken:
1) Manche Persönlichkeitsaspekte und Verhaltensweisen sollten nicht als Individualität beweihräuchert, sondern dringend verändert werden, damit ein Kind später ein reifer, zur Selbsterziehung fähiger Erwachsener wird.
2) Es gibt keine berufliche Sicherheit und keine Lernerfolge ohne Leistung, ohne ein gewisses Maß an Bedürfnisverzicht und ohne regelmäßige Übung.
3) Verhaltensprobleme wachsen sich nicht aus. Wenn es so aussieht, als hätte sich etwas ausgewachsen, dann ist das einem Erzieher zu danken, dessen Einfluss den Eltern nur nicht bewusst ist.
4) Der richtige pädagogische Umgang mit sogenannten Lernstörungen wie Legasthenie, Dyskalkulie und erst recht allen Arten von Wahrnehmungsstörungen ist es, geduldig die in den “Symptomen” erkennbaren inhaltlichen Lücken aufzuholen. Wenn eine eher geringe Intelligenz dazu kommt, ist das schwerer, aber trotzdem möglich. Ein falscher Umgang ist es, den Unterricht um die “Störung” drum herum zu bauen und die betroffenen Leistungen fortan einfach nicht mehr zu bewerten. Das belässt das Kind nur in seiner Hilflosigkeit.
Das alles ist unser Job.