Jungs werden aussortiert

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Ein erstaunlich ehrliches Statement eines Kinderarztes. Bemerkenswert ist, wie er konsequent unangenehme Beobachtungen ausspricht und die political correctness links liegen lässt. Er bricht viele Tabus und äußert Kritik, die heute meist nur noch hinter vorgehaltener Hand vorgebracht wird. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, seine Aussagen den ungeschriebenen Glaubenssätzen aus Erziehung und Schule gegenüber zu stellen:

Kinderarzt Michael Hauch Glaubenssätze aus Erziehung und Schule
“Seine Lehrerin aber findet ihn deutlich auffällig … Er komme im Unterricht gut mit, aber er könne sich nicht konzentrieren. Deshalb brauche er dringend Ergotherapie. Ohne Ergotherapie werde Leon bald dem Unterricht nicht mehr folgen können.” Medienerziehung, gesunde Ernährung, Suchtprävention etc. darf Schulstunden verschlingen. Anständiges Lernverhalten in der großen Gruppe sollen die Kinder in der Therapie oder zu Hause lernen.
“Es vergeht kaum ein Tag … an dem nicht verunsicherte Eltern um Physio-, Ergotherapie- oder Logopädieverordnungen für ihre … Kinder bitten. Geschickt werden sie vor allem von Grundschullehrern und Grundschullehrerinnen. Am liebsten gleich mit einer fertigen Diagnose” Lehrer sind nur zuständig für unauffällige Kinder. Weil inzwischen sogar schlecht rechnen, schlecht lesen und schlecht schreiben  “Störungen” sind, ist die Schule auch hier nicht mehr zuständig. Manche Eltern wollen das auch so: lieber keine Noten als schlechte Noten.
“Bei den meisten auffälligen oder gestörten Kindern fehlt es an ausreichender Anregung in den Familien. Wo … von morgens bis abends der Fernseher oder die Spielkonsole läuft, wo es keine gemeinsamen Mahlzeiten gibt, kein Vorlesen, keine Spiele, dort verkümmern die geistigen und körperlichen Anlagen, mit denen Kinder auf die Welt kommen.” Alle Eltern sind total engagiert, verbringen trotz Vollzeitjob wahnsinnig intensive quality time mit ihren Kindern und machen supi Medienerziehung. Gekocht wird immer bio und so gekonnt wie im Fernsehen. (Wohlstands-)Verwahrlosung gibt es  nicht.
“Die große Zunahme gestörter und auffälliger Kinder hat … soziogene Ursachen.” Eltern, die selbst wenig gelernt haben oder ihre Partner schlecht wählen bzw. behandeln, sind selbst nur Opfer. Sie können nichts für mangelnde Bildung und Erziehung ihrer Kinder.
“Grundschullehrer versuchen, vor allem sozial benachteiligte Kinder gezielter zu fördern. Zugleich ist aber auch ein Perfektionierungsanspruch bei Eltern und Lehrern entstanden, dem sich diese vielfach selbst nicht mehr gewachsen fühlen.” Alle müssen aufs Gymnasium, denn alle müssen später ganz, ganz viel verdienen, damit sie ganz, ganz viel konsumieren können.
Dass Jungs viel häufiger als Mädchen als “therapiebedürftig” beim Arzt landen, ist in weiten Teilen eine Frage der Bewertung. Ihre angeborenen Eigenschaften werden nicht mehr als Ressource bewertet werden, sondern als Problem. Frauen sind die besseren Menschen. Männer müssen weiblicher werden, sonst sind sie gestört.
“Therapien sind kein Allheilmittel. Keine noch so gute Therapie kann die durch familiäre Vernachlässigung entstandenen Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern „einfach reparieren“.” Alles, was man früher als Ergebnis guter Erziehung betrachtet hat, kann man in Wirklichkeit delegieren. Das sollen Spezialisten machen, Mama wird am Wirtschaftsstandort Deutschland gebraucht.
“Ein Kind zur Ergotherapie zu schicken, weil es mit sieben nicht gelernt hat, sich die Schuhe zuzubinden, oder weil es den Stift falsch hält, mag zum Ziel führen, ist aber dem geduldigen Üben mit den Eltern oder der Lehrerin in keiner Weise überlegen. Es entlastet diese nur von den Mühen des Übens. Ergotherapie ist der bequemere Weg.” Therapien werden nie aus Bequemlichkeit gefordert.Schuhe zubinden zu üben oder Stifthaltung zu üben macht im Kindergarten Druck / kostet die Lehrkraft zu viel Zeit / ist für die Eltern zu langweilig / seh ich doch gar nicht ein…
“Bei gesunden, lediglich unkonzentrierten „wilden“ Kerlen sind ausreichend Bewegung und ein geregelter Alltag ohne Fernsehen jeder Therapie und jedem Medikament überlegen.” Wir gucken im TV immer nur politisches Kabarett und Naturdokus. Also fast immer. Und GEZ zahlt man ja sowieso.Einen geregelten Alltag? Ja, gerne: Ganztagsschule bis 17:30, dann Fernsehen bis 20:30, dabei essen, dann ins Bett.
“nicht aus jedem Kind entwickelt sich ein geistig lebhafter, kreativer und wissbegieriger Mensch mit Nobelpreisträger-Potential. Aber aus fast allen Kindern, die liebevoll begleitet und gefördert werden, werden Menschen, die für sich einen guten Weg durchs Leben finden.” Einfach nur ein normales Kind zu haben ist viel schlimmer, als ein Kind mit einer exotischen Störung zu haben.
“Therapien geben Eltern und Lehrern eine Scheinsicherheit. Kindern hingegen geben sie früh das Gefühl, ein Defizit zu haben. Der Normalzustand, das Leben ohne Therapien, wird mehr und mehr zur Ausnahme…Viele Probleme werden erst durch die vermeintliche Heilkraft von Therapien als solche definiert. Alles wird zur Störung, weil Therapien vermeintlich auf alles wirken.” Wir – Eltern, Lehrer, Erziehende – wollen oft lieber, dass das Kind etwas “hat”, was man “wegtherapieren” kann, als dass wir anders sein, anders leben, anders erziehen müssten. Wir lassen lieber Therapeuten etwas “gegen den Fehler” machen, als mit Erziehung und Selbsterziehung selbst etwas “für das Fehlende” zu tun. Ein therapiebedürftiges Kind zu haben, befriedigt unser Geltungsbedürfnis und nimmt uns die Last der Verantwortung. Ein erziehungs-bedürftiges Kind zu haben, bürdet uns Verantwortung auf und kränkt uns, wenn wir nicht von Herzen dankbar sind, dieses Kind erziehen zu dürfen.

 

Weltmeisterschaft in Frankreich!

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1998 war Frankreich Fußball-Weltmeister im eigenen Land, das konnte auch Ronaldo nicht verhindern. Aber selbst wenn sie das dieses Jahr nicht schaffen sollten, in einer anderen Disziplin lassen sie den Rest der Welt nur so staunen: Seit 1985 gibt es in Frankreich die “Dicos d’or”, einen landesweiten Rechtschreibwettbewerb, dessen Finale sogar im Fernsehen übertragen wird und teilweise über 10 Millionen Zuschauer anzieht! Die schreiben zu Hause fleißig mit und freuen sich, wenn sie einigermaßen gute Ergebnisse erreichen. Denn die Diktate des Finales sind richtig schwierig. Sie werden von Bernard Pivot, einem Journalisten, erstellt, der legendär ist für seine herausfordernden Texte. Selbst die jährlichen Sieger gewinnen meist nicht mit 0 Fehlern, sondern mit 1-3 Fehlern. Ins Endspiel kommt nur, wer die Einstiegsaufgaben und die regionalen Halbfinale gemeistert hat – etwa 250 Finalisten streiten jedes Jahr um den Titel.
In Deutschland bejammern seit einiger Zeit viele Eltern und Medien den Niedergang der Rechtschreibung, nachdem richtiges Schreiben jahrzehntelang als spießig galt (wenngleich beruflich kaum verzichtbar). Die Franzosen pflegen einen wesentlich stolzeren, aber zugleich unverkrampfteren Umgang mit der Rechtschreibung in ihrer Muttersprache.
Ach, übrigens, Hessen (PISA Mittelfeld) bemüht sich seit 2 Jahren um etwas Ähnliches: Mit dem Wettbewerb “Frankfurt schreibt!” wird ein Rechtschreibwettkampf nach französischem Vorbild veranstaltet. Die Breitenwirkung lässt allerdings noch zu wünschen übrig…

Autismus: Blickbewegungen bei Babys erstmals diagnostisch genutzt

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Dr. Ami Klin hat mit seiner Forschung an Babies zwischen 1 und 6 Monaten bemerkenswerte Ergebnisse zu Tage gefördert, die eine komplette Neubewertung vieler gängiger Annahmen über die Entstehung von Autismus verlangen. Er untersuchte, ob die Babies und Kleinkinder auf die Augen einer Person fixieren oder eher andere Gesichtsteile oder den Hintergrund. Dabei konnte er nachweisen, dass die Kinder, die später tatsächlich eine Störung aus dem autistischen Spektrum entwickelten, schon in diesem Alter eine stetig abnehmende Fixierung auf die Augen von Personen zeigten, während gesunde Kinder in ihren ersten sechs Lebensmonaten immer mehr und dann auf gleichbleibendem Niveau ihrem Gegenüber in die Augen sehen.

Seine Hypothese: Autismus erzeugt sich dadurch selbst, da jeder einzelne Blick des Kindes diesen von der Interaktion weg auf leblose Dinge und die Isolation gerichteten Umgang mit der Welt verstärkt und entsprechende Verschaltungen im Gehirn im Lauf der Jahre entstehen. Außerdem ist es dadurch für die Eltern von Anfang an schwieriger und erklärungsbedürftig, mit ihren Kindern Blickkontakt aufzunehmen und sie in ihre Welt hineinzuholen.

Wenn Klins Befunde weiteren Überprüfungen standhalten, dürfte die psychoanalytische Behauptung von der verursachenden Kühlschrankmutter damit endlich vom Tisch sein.

Schauen Sie sich Ami Klins Vortrag bei der TED Conference an! Untertitel in div. Sprachen verfügbar.

http://on.ted.com/h0HF6