Hier ausnahmsweise mal keine thematisch verwobene Zusammenstellung, sondern aus den Neuerscheinungen 2016 meine persönlichen Tipps für Weihnachten:
Tania del Rio und Will Staehle: Warren der 13. und das Magische Auge: Band 1
Das ist das buchkünstlerisch netteste Buch, das ich seit langem in den Händen gehalten habe. Die grafische Gestaltung geht weit über bloße Illustrationen heraus und macht richtig Laune. Und die Story mag sprachlich nicht Shakespeare sein, aber sie ist enorm reich an putzigen Einfällen und wirklich nicht vorhersehbar. Das Plot: Warren ist der 13. in einer langen Ahnenreihe, die ein Hotel betrieben hat. Warren der 2. war ein rätselhafter Erfinder und hat ein ebenso rätselhaftes Tagebuch hinterlassen. Nun betreibt aber der unangenehme und faule Onkel das inzwischen heruntergekommene Hotel, und seine boshafte Frau Anaconda – eine Hexe, wie man bald merkt – scheucht den engagierten Warren voller Undank von Arbeit zu Arbeit. Doch als ein seltsam vermummter Gast sowie die beiden hässlichen Schwestern Anacondas auftauchen, um das “Magische Auge” im Hotel zu suchen, stellt sich bald eine Horde von schatzsuchenden Übernachtungsgästen ein. Anaconda vermutet, dass Warren das Geheimnis kennt – tut er aber nicht. Doch er kommt ihm langsam auf die Spur. Welche Rolle die geheimnisvolle Zauberschülerin, Parfumeure als hexenzerstäubende Rächer, die lila Hotelschnecke, das freundliche Monster aus dem Heizungsraum und der herzliche Hotelkoch spielen, sei an dieser Stelle nicht verraten. Auf jeden Fall ein großes Lesevergnügen, das man schnell verschlingt, und dazu noch eine äußerst schöne gebundene Ausgabe zu einem ungewöhnlich fairen Preis.
Altersempfehlung: Wurde innerhalb eines Nachmittags verschlungen von Kindern mit 7, 9 und 11 Jahren sowie diversen Erwachsenen.
Piotr Socha: Bienen
Mit knapp 25€ eine größere Anschaffung, aber auch den Maßen nach: Fast 30 x 40 cm, da braucht das kleinere Kind schon Hilfe beim Aufschlagen. Und wie es sich für so eine Anschaffung gehört, handelt es sich hier um einen Bildband – wäre es nicht zugleich auch ein äußerst umfassendes Sachbuch zum Thema Bienen. Dass die Bienen zu Tausenden sterben, während die Wissenschaft noch über die Ursache rätselt, und dass das Folgen für die Menschen haben wird, davon hat inzwischen wohl jeder gehört. Was Bienen aber alles für uns tun, wie sie genau leben und wie man dem Bienensterben etwas entgegensetzen kann, habe ich erst aus diesem Buch gelernt. Das allein rechtfertigt nicht den Preis – wohl aber die fantastischen Illustrationen in einem lockeren, modernen, dennoch detailreichen Wasserfarbstil. Eine begeisternde Augenweide und ein außergewöhnlich hübsches Buch.
Altersempfehlung: ab 5 Jahren
Judith Kerr: Ein Seehund für Herrn Albert
Von Judith Kerr kennen viele “Als Hitler das rosa Kaninchen stahl”. In diesem Buch erzählt sie nach einer wahren Begebenheit die Geschichte des allten Herrn Albert. Der findet am Strand ein verlassenes Seehundbaby. Es tut ihm leid, und weil er ein zupackender Mensch ist, nimmt es es mit nach Hause. Dort darf der kleine Seehund, den er “Charlie” tauft, fortan in seiner Badewanne wohnen. Zumindest, bis er im Zoo einen Platz für ihn findet. Doch schon bald kann sich Herr Albert trotz Wasserschaden in der Wohnung nicht recht überwinden, Charlie wieder wegzugeben…
Eine wiederentdeckte, außergewöhnliche Tiergeschichte; man möge bitte nicht gleich nach PETA rufen und skandieren, dass Seehunde nicht in Badewannen gehören. Darum geht es hier nicht. Auch hat die wahre Begebenheit kein Happy End gefunden; das gestaltet Kerr im Buch anders, denn wie Herr Albert hat auch sie offenbar ein weiches Herz. Ein nettes, außergewöhnliches Buch zum Lesen oder Vorlesen.
Altersempfehlung: ab 5-6 Jahren zum Vorlesen, sonst ab 7
Nadia Budde: Vor meiner Tür auf einer Matte
Das neueste Buch von Nadia Budde kam schon im Februar dieses Jahres heraus, aber wer es noch nicht hat, möchte sicher seine Budde-Sammlung damit ergänzen. Diesmal geht es um einen Menschen und eine Ratte als ungebetenen Gast. So eine Art Lied vom bucklig Männlein mit tierischer Variate. Das klingt so: “Schneller als ich denken kann / hat sie meine Latschen an. / Werf ich mich aufs Kanapee / kommt auch sie auf die Idee.”
Die Bilder sind bewährte Budde-Qualität, an zwei Stellen hätte ich mir abwechslungsreichere Reime gewünscht, aber dennoch: Wie immer kurzweilig und gegen den Strich gebürstet.
Altersempfehlung: zum Vorlesen ab 4 Jahren
Last not least ein Sachbuch:
Programmieren supereasy: Einfacher Einstieg in SCRATCH und PYTHON
Wer sich für aktuelle Technik
interessiert, kaufte seinen Kindern vor 100 Jahren zu Weihnachten eine Dampfmaschine und ergründete mit ihnen deren Funktionsweise. Die Dampfmaschine von heute ist der Computer. Wer seinen Kindern die Technik dahinter nahebringen möchte, wird in aller Regel bei “Scratch” landen, weil es das umfassendste der deutschsprachigen Anfänger-Programmiertools ist. Dieses Buch zeigt Kindern ab 8 (und ihren Eltern), was Programme tun und wie man sofort in die ersten Scratch-Befehle einsteigt. Hunderte Screenshots erklären die Scratch-Oberfläche und sind dennoch übersichtlich und verständlich gestaltet. Kleine Aufgaben müssen gelöst werden, und die Funktionen erster Programmierergebnisse wie z.B. des Geisterspiels wird aus Programmsicht erklärt. Im zweiten Teil des Buches wird in sehr anschaulichen Tabellen zunächst jedem Scratch-Befehl der entsprechende, nun nicht mehr durch “Puzzleteile” wie bei Scratch, sondern durch “richtige” Programmiersprache wiedergegebene Python-Befehl gegenübergestellt und in Variablen, Datentypen, Strings, Verzweigungen, Logik-Gatter etc. eingeführt. Ein sehr gut gemachter, praxistauglicher Einstieg; für den zweiten Teil sollte man vermutlich schon älter als 8 Jahre sein und sowohl ein wenig Englisch beherrschen als auch Mathematik nicht abgeneigt sein. Aber sonst würde man ja auch nicht programmieren.
Altersempfehlung: ab 8 Jahren und dann für jeden, der sich dafür interessiert
Ich möchte auch verraten, was ich gar nicht verschenken würde, obwohl es z.T. hochgelobt oder zumindest stark vermarktet wird:
- “Der Hummelreiter Friedrich Löwenmaul
” – eine nette Idee, aber voller sprachlicher Klischees. Schlecht geschrieben, hübscher Umschlag.
- “Level 4 – Die Stadt der Kinder
” von Andreas Schlüter. Ein frecher Abklatsch von Timpetill, versehen mit Pseudo-Sci-Fi.
- “Die Glücksbäckerei – Das magische Rezeptbuch” Man nehme drei Trends, mische sie und schon fließt das Geld: Cupcakes + Magie +
Glitzerrosamädchenkram = Die Glücksbäckerei. Das ist keine Literatur, das ist Merchandise für sich selbst.