Woran erkenne ich gute Nachhilfe?

Standard

Wie so oft fragte mich diese Woche eine Mutter, wie sie denn einen guten Nachhilfelehrer für ihr Kind finden könnte. In diesem Fall ging es nicht nur um Lücken in einem Paukfach, sondern um größere inhaltliche Defizite in Deutsch (4. Klasse). Was kann ich dazu raten?

Ideal wäre es, wenn der Nachhilfelehrer entweder Deutschlehrer(in) wäre oder eine Qualifikation als Legasthenie-Therapeut hätte, um die nötige Fehleranalyse und einen didaktisch sinnvollen Aufbau sicherzustellen. Abraten würde ich von allen Einrichtungen oder Personen, die als Zusatzqualifikation irgendeine Form von Kinesiologie (Edu-Kinesthetik, Brain Gym, Life-Kinetik, Wingwave® etc.) oder NLP (Neurolinguistisches Programmieren) angeben, selbst wenn sie gar nicht ankündigen, das bei Ihrem Kind anzuwenden. Denn das deutet verlässlich auf eine von vornherein falsche Einschätzung der Sachlage bei einem Kind mit Lerndefiziten hin.

Es ist oft hilfreich, wenn die Lehrkraft sich bei Deutschproblemen an einem guten Trainingsprogramm wie IntraAct oder dem Marburger Rechtschreibtraining orientiert, dies auf die wichtigen Lernbereiche des einzelnen Kindes beschränkt und es durch individuelle Erklärungen und Vertiefungen ergänzt.

Außerdem sollten Sie mit einer Nachhilfelehrkraft immer überprüfbare Ziele für die nächsten drei oder vier Monate absprechen; ein Halbjahr wäre zu lang. Die Lehrkraft sollte Ihnen zu Beginn jedes Planungsabschnitts eine Fehleranalyse, eine darauf beruhende Unterrichtsplanung und rückblickend eine Bewertung von Ziel und Erreichung vorlegen und mit Ihnen besprechen. Das kann ruhig knapp gehalten sein, eine halbe Seite kann da genügen, aber wichtig ist, dass entsprechend mitgedacht wird. Das ISB hat eine praktikable Vorlage für eine Fehleranalyse Deutsch erstellt. Es gibt vielfältige Anregungen zur Förderdiagnostik für diverse Fächer in einigen Broschüren heraus.

Zu guter Letzt ist es ein Qualitätsmerkmal, wenn die Lehrkraft Ihnen für Ihr Kind Übungen für den Rest der Woche gibt, so dass es an mindestens 4 Tagen pro Woche eine kurze Übung absolvieren muss. Wenn eine Lehrkraft das für unnötig hält, schätzt sie die Lage falsch ein.

Bis sich eine Verbesserung in großen inhaltlichen Lücken in durchgehend besseren Noten niederschlägt, kann lange dauern, wenn die Defizite grundlegender Natur waren. Hapert es an der Rechtschreibung, am Leseverständnis und am Wortschatz oder in Mathematik am Mengenbegriff und am grundlegenden Verständnis des Dezimalsystems und der Operationen, dann wird das typische Konzept von “Nachhilfe” eigentlich gesprengt. Nötig ist hier ein wirklicher Förderunterricht, der idealerweise von jemandem durchgeführt wird, der das notwendige didaktische Wissen erworben hat. Das ist oft der Fall, wenn jemand sich zum Legasthenie- oder Dyskalkulie- “Therapeuten” weitergebildet hat. Leider ist aufgrund rechtlicher und pädagogisch-ideologischer Entwicklungen hier oft von einer “Therapie” die Rede, obwohl in Wirklichkeit meist eine sehr qualifizierte Didaktik das ist, was den betroffenen Kindern hilft, denn sie sind nicht “therapiebedürftig” im Sinne einer “Krankheit”, sondern sie haben komplizierte Dinge nicht verstanden und unzulänglich automatisiert.

Klassische Nachhilfe wird oft angefordert, wenn “bloß” ein Rückstand in Vokabeln vorliegt, Stoff in “Lernfächern” versäumt wurde oder ein einzelnes grammatisches oder mathematisches Phänomen unverstanden ist bei ansonsten gutem Grundlagenwissen. Diese klassische Nachhilfe kann aber dann nicht zum Erfolg führen, wenn mehr im Argen liegt als nur ein einzelnes, schwieriges Thema, das die Eltern auch nicht erklären können. Wenn hinter den Problemen unzureichende Übung und Automatisierung steht und Eltern aus Scheu davor, sich unbeliebt zu machen und streng zu sein zur Nachhilfe greifen, dann ist eigentlich Hilfe in der Lernerziehung für Eltern und Kind notwendig. Wenn das Kind seiner Begabung nach mit komplexen Inhalten überfordert ist, kann ein Intelligenztest und genaue Förderdiagnostik klären, ob es den Anforderungen auf Dauer gewachsen sein wird. Bei solchen grundlegenden Problemen helfe ich qualifziert weiter; Nachhilfe im klassischen Sinn biete ich nicht an.